Donnerstag, später Nachmittag. Es klingelt. Ein sympathischer Mann fragt mich, ob ich ein Flipchart habe. Klar, hab ich. Er bräuchte dringend eines für seinen abendlichen Auftritt in der Rockfabrik. Für all diejenigen, die mit der Rockfabrik nichts anfangen können: Seit 36 Jahren eine Institution bei uns auf dem Areal für Live-Acts wie Queen oder Metallica sowie legendäre 80er-Jahre-Partys und eben auch für den charmanten Mann in meiner Tür. „Flipchart auf einem Konzert in der Rockfabrik … muss ein interessanter Abend werden“, denke ich mir. Nun fiel während unseres Gespräches der Name „Knorkator“, Deutschlands meiste Band der Welt. Ups. Nie gehört. Unter dem Strich auch vollkommen egal, denn in allererster Linie ging es mir darum, dass dem Mann samt Band geholfen wird. Punkt.
Da ich am darauffolgenden Tag direkt um 9 Uhr eine Coachingsitzung hatte, war die einzige Herausforderung, dass das Flipchart wieder pünktlich bei mir sein sollte. „Kein Ding, wir stellen es noch am Abend vor Ihre Tür, das klaut hier oben auch keiner.“ Ich bekam noch eine Visitenkarte von Gero, alias Stumpen, ein sichtlich erleichtertes Lächeln und einem genialen Abend stand nichts mehr im Wege. Und ja, sollte es ein nächstes Mal geben, komme ich gerne, an diesem Tag ging jedoch leider nichts mehr für mich, außer schlafen. Jetzt war ich natürlich neugierig, wer denn Knorkator eigentlich ist, nachdem mich mein Bürokollege, aufgrund meiner Unwissenheit, nur kopfschüttelnd anstarrte. Was soll ich sagen? Rund 74.000 Follower, die Band scheint wohl bekannt zu sein. Zweites Ups.
Am nächsten Morgen. Leere vor der Bürotür. Kein Flip. Und doch sagte mir mein Bauchgefühl: „Alles ist gut. Vertraue.“ Und prompt hörte ich es über den Hof rattern, um kurze Zeit später wieder in meinem Büro zu stehen.
Aus welchem Grund genau erzähle ich nun von diesem Ereignis in der vergangenen Woche?
Ganz einfach, zumindest aus meiner Perspektive. Weil es hier um weitaus mehr geht als ein ausgeliehenes Flipchart. Es geht vielmehr um das Vertrauen einem Menschen gegenüber, den ich nicht kannte. Bei dem es keine Rolle spielte, wer er ist und ob berühmt oder mir nicht bekannt. Es geht um Respekt, um Wertschätzung. Um die Freude, diese mit einem Unbekannten zu teilen und ums Worthalten. Denn der Mitarbeiter der Rockfabrik kam extra nach nur wenigen Stunden Schlaf, um sein Versprechen einzulösen, das Chart pünktlich wieder zurückzubringen. (Die Türen waren am Abend verschlossen und somit war es unmöglich, zuvor ins Gebäude zu gelangen – was ja prinzipiell gut ist, Sicherheit geht vor.)
Lieber Gero,
so danke ich dir, dass du mein Vertrauen in das Gute im Menschen weiter bestärkst – auch wenn es in all den Jahren immer wieder auf die Probe gestellt wurde und sicherlich auch noch wird. Dass es Sinn macht, auf seinen Bauch zu hören und „belohnt“ wird. Und auch für dieses großartige Bild von dir. Dafür möchte ich Danke sagen. Und all jene, denen manchmal das Vertrauen in einen anderen, ob bekannt oder fremd, verloren geht, möchte ich mit den Worten von William Somerset Maugham in den Tag oder die Nacht hineinschicken:
Wenn wir im Leben nur das Beste annehmen, bekommen wir es sehr oft.
In diesem Sinne, lassen Sie uns offen, mit Mut und Vertrauen die Welt ein bisschen besser machen.